Muss mein Kind zum Logopäden?
Sprachtherapie ja oder nein? Ein Wegweiser aus logopädischer Sicht
Die Entscheidung für oder gegen eine Sprachtherapie hängt von vielen Variablen ab
Die Frage nach der Notwendigkeit einer Logopädischen Therapie (hier vereinfacht Sprachtherapie genannt) ist von vielen Faktoren abhängig und nicht immer so einfach zu beantworten.
Oftmals besteht Uneinigkeit, zwischen Erziehern, Kinderärzten, Logopäden und den Eltern.
Während die einen zur Logopädie raten, raten die anderen zum Abwarten.
"Das verwächst sich schon noch" ist eine gern gewählte Floskel, die insbesondere dazu beiträgt, besorgte Eltern zu beruhigen. Denn in den meisten Fällen haben die Eltern ein gutes Gespür dafür, ob die Entwicklung altersgerecht verläuft. Sorgen sollten deshalb immer ernst genommen werden.
Tatsächlich holen einige Kinder die Rückstände in der Sprachentwicklung von selbst auf. Meine Erfahrung ist jedoch die, dass wenn die Frage nach einer Logopädischen Behandlung im Raum steht, diese meist angebracht, ja oft sogar schon überfällig, ist.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Sprachtherapie sind viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt sollte immer das Kind als Individuum stehen.
Aus sprachtherapeutischer Sicht gibt es einige Maßstäbe, die bei der Entscheidungsfindung anzulegen sind.
Neben dem Alter des Kindes, dessen allgemeiner Entwicklung und den spezifischen Umweltvariablen, sollte immer auch der Charakter des Kindes berücksichtigt werden. Die physiologische ("normale" Sprachentwicklung) dient als erster wegweisender Maßstab.
Die normale Sprachentwicklung
Der Vergleich zu Gleichaltrigen, sprachlich normal entwickelten, Kindern ist Richtungsweiser Nummer 1
Die physiologische Sprachentwicklung ist gut erforscht, sodass sich anhand einfacher Fragestellungen zum Wortschatzerwerb, der Aussprache, der Satzbildung u.a. in Abhängigkeit des Alters, sehr genau bestimmten lässt, ob sich das Kind noch innerhalb der Norm für einen normalen Spracherweb befindet, oder ob die Sprachentwicklung verzögert ist.
- Mit 12-14 Monaten sollte das Kind beginnen, einfache erste Worte, wie "Mama", "Ball" etc. zu sprechen.
- Mit ca. 24 Monaten folgen erste Zwei-Wort-Sätze, wie "Mama Essen". Das Kind sollte mindestens 50 Wörter kennen/sprechen.
- Kennt/Spricht das Kind mit 24 Monaten unter 50 und im Alter von 36 Monaten unter 100 Wörter, spricht man von so genannten"Late Talkern" - Auf Deutsch in etwa "Späte Sprecher" - Bei Late Talkern ist die Wahrscheinlichkeit, als Vorschulkind sprachentwicklungsgestört zu sein, 20 mal so hoch wie bei anderen Kindern dieses Alters. Nicht selten verlieren Late Talker, aufgrund frustrierender Sprecherfahrungen (nicht verstanden werden) die Freude am Sprechen. Dies hat widerum negative Auswirkungen auf die weitere Sprachentwicklung.
- Einige "Late Talker" holen bis zum 36 Lebensmonat die Rückschritte selbstständig auf. Sie werden als "Late Bloomer" bezeichnet. Sie weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Lese-Rechtschreib-Schwächen auf.
- Bei der Vorsorgeuntersuchung U7a, die mit drei Jahren fällig wird, wird von Kindern erwartet, dass sie ganze Hauptsätze ohne Fehler bilden. Zeigen sich hier Schwierigkeiten, sollte man sich nicht länger vertrösten lassen und eine Sprachtherapie in Anspruch nehmen.
- Im Alter von 5,0 Jahren sollte die Aussprache des Kindes (ausgenommen /s/ und /sch/) korrekt sein. Sprich, das Kind sollte alle Laute richtig aussprechen können und diese nicht (mehr) vertauschen.
- Die Grammatik sollte im Alter von 8,0 Jahren vollständig korrekt sein, sodass das Kind ganze Sätze bilden, Einzahl und Mehrzahl, Zeitformen, Präpositionen, Artikel, etc. richtig verwenden kann.
- Mit 8,0 Jahren gilt die Sprachentwicklung als abgeschlossen. Bis dahin nicht Gelerntes kann nicht mehr, oder nur sehr schwer erworben werden.
Umwelteinflüsse - Das Soziale Umfeld des Kindes
Neben den oben genannten Richtwerten spielt auch das Soziale Umfeld des Kindes eine wichtige Rolle.
Ein Kind mit Migrationshintergrund, dessen Eltern schlecht Deutsch sprechen, wird es schwerer haben Rückschritte aufzuholen.
Ebenso haben es Kinder oftmals schwerer, welche spät in den Kindergarten gekommen sind und wenig Kontakt mit Gleichaltrigen aufweisen.
Wenig sprachliche Anforderung oder Förderung, sind ebenso mögliche Gründe, weshalb die Sprachentwicklung gestört sein kann.
Aber auch eine Überforderung des Kindes, wie das Anbieten mehrerer Sprachen, obwohl es bereits in der Muttersprache Probleme hat und ein zu häufiges Übernehmen der Kommunikation des Kindes durch die Eltern, haben negative Auswirkungen auf die Entfaltung der Kommunikativen Kompetenzen des Kindes.
Dies und andere Einflüsse, auch gesellschaftliche und kulturelle, aus der Umwelt sollten daher immer berücksichtigt werden.
Das Kind als Individuum
Schlussendlich spielt das Kind als Individuum, mit all seinen Schwächen und Stärken, seinen Eigenschaften, Kompetenzen, Charakterzügen und Verhaltensweisen eine - wenn nicht sogar Die - Rolle bei der Entscheidungsfindung.
Die Allgemeine Entwicklung (kognitiv, motorisch, sensorisch etc.) sowie eventuell bestehende Grunderkrankungen und Behinderungen, können eine möglichst frühe Logopädische Behandlung erfordern.
Ebenso sollten Kinder, welche eher schüchtern sind, sich sprachlich zurück halten und Kommunikation scheuen, lieber früher als später in einer Logopädischen Praxis vorstellig werden.
Im Vergleich dazu kann man selbstbewussten Kindern mit geringem Störungsbewusstsein und wenig Leidensdruck, welche offen und gerne kommunizieren etwas mehr Zeit lassen (6 - 12 Monate, bis zu einem Alter von höchstens 5,6 Jahren) um die Rückschritte gegebenenfalls selbst aufzuholen.
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